V wie Vendetta | Kritik (2024)

Rache und Revolution. Terror, Tortur und Kahlrasur. In der nahen britischen Zukunft ist ganz schön was los, unter anderem Natalie Portman und ein literarisch aristokratisch sprechender Rächer.

V wie Vendetta | Kritik (1)

In Michael Winterbottoms auf der Berlinale mit dem Regiepreis ausgezeichnetem Dokuspiel The Road to Guantanamo spricht ein ehemals im rechtsfreien kubanischen Guantanamo inhaftierter Brite pakistanischer Abstammung davon, wie ihn diese Erfahrung geformt und letztlich stärker gemacht habe.

Evey (Natalie Portman) erkennt selbiges für sich. Erst nachdem sie gequält und gefoltert in Gefangenschaft dem Tod ins Auge blicken musste, kann sie alle Angst ablegen, sich scheinbar ungefährdet als gesuchte Person in den Sperrgebieten eines totalitären London bewegen und schließlich eine revolutionäre Idee in die Tat umsetzen.

James McTeigues V wie Vendetta (V for Vendetta), ebenfalls auf der Berlinale, allerdings außer Konkurrenz, gezeigt, verhält sich schon beinahe seltsam komplementär zu dem britischen Wettbewerbsbeitrag. Auch V wie Vendetta, einem an der gleichnamigen Graphic Novel orientierten Drehbuch der Washowski Brothers folgend, ist eine Auseinandersetzung mit Terror. Bei Winterbottom verläuft diese leider einseitig, zeigt er doch nur den staatlichen Terror und fragt nicht nach historischen oder ideellen Hintergründen, nach sich bedingenden Mechanismen.

V wie Vendetta | Kritik (2)

McTeigue wählt zunächst einen eindeutigen Ausgangspunkt: Der Terror geht vom totalitären Staat aus. Dieser ist britisch und in der nahen Zukunft angesiedelt. In der Nacht zum 05. November erscheint ein privater Terrorist auf der Bildfläche und bald auf der meinungsmachenden Mattscheibe, auf den städtischen Großbildleinwänden. Er trägt eine Maske in Erinnerung an den Volkshelden Guy Fawkes, der 1605 die Unrechtsherrschaft von James I. beenden wollte, indem er das Parlament zu sprengen gedachte. Während das Original gehängt wurde, schickt sich sein Nachahmer nun daran, den Plan, im Angesicht der neuerlichen Schreckensherrschaft, innerhalb Jahresfrist auszuführen. In dieser schicksalhaften Nacht begegnet er der jungen Fernsehangestellten Evey, was beider Schicksale entscheidend verknüpft.

Von nun an entspinnt McTeague eine Geschichte, die überraschend handlungsbezogen verläuft, sich stark auf ihre Narration konzentriert. Dies funktioniert, weil sich der Regisseur ganz auf seine facettenreichen Figuren fokussiert, die allesamt von bestechenden Schauspielern verkörpert werden.

V wie Vendetta | Kritik (3)

Der Terror des offensichtlich an Hitler angelehnten Kanzlers Sutler (John Hurt) vermittelt sich komplett über ein Monitorbild. Die Taten seiner Handlanger werden fast ausschließlich angedeutet. Wirklich rabiat aktiv hingegen ist der Rächer V (Hugo Weaving). Seine Aktionen bersten vor körperlicher Präsenz. Inszeniert sind sie jedoch als Spannungssequenzen, in denen der Thrill über dem Stunt steht. Doch allem übergeordnet ist der Dialog – in den Momenten des Sturms, wie der Ruhe. Sowohl die Zwiegespräche zwischen Evey und V, als auch die Diskussionen zwischen den ermittelnden Beamten Finch (Stephen Rea) und Dominic (Rubert Graves) tragen den Film und treiben die Handlung voran. Die eindringlichste Terrorerfahrung vermittelt Eveys Gefangenschaft – die eben nicht staatlich, sondern vor allem symbolisch ist. In dieser Gleichniswelt muss sie auch ihre Haare verlieren. Eveys auf einem Dach in den Regen gestreckter Schädel ist das nachhaltigste Bild in diesem futuristischen Thriller, der wie kaum ein Film seines Genres auf Gadgets und Spezialeffekte verzichtet. Nun ist V wie Vendetta weder Science noch Fiction, sondern eine Comicverfilmung – und als solche setzt sie Standards.

Drei renommierte Regisseure sind an dem Genre gescheitert. Sam Raimi ließ Spiderman (2002) zu einem knallbunten Digitalabenteuer verkommen, Ang Lee schuf mit Hulk (2003) einen verkopften Konzeptfilm ohne Seele und Christopher Nolan zeigte in der ersten Hälfte von Batman Begins (2005) zwar beeindruckend die Konstruktion und Dekonstruktion von Mythen, verlor sich gegen Ende jedoch in einer wüsten Materialschlacht.

V wie Vendetta | Kritik (4)

V wie Vendetta hat sich in der Motivik das Holzschnittartige der Vorlage bewahrt – das Schreckensregime etwa ist ikonographisch deutlich und plastisch an den Nationalsozialisten orientiert. Der Nebel des Terrors taucht auch die Bilder in einen Grauschleier. Die Botschaften sind simpel, was einer ambivalenten Auseinandersetzung mit dem Thema Staatsgewalt und Terrorismus dennoch nicht zuwiderläuft, da die Figuren, comictypisch, voller Widersprüche und Abgründe sind. Vermittelt wird dies über weite Strecken in schlichten Bildern, die wenige, meistens zwei Personen, in einem abgeschlossenen Raum zeigen, sozusagen im Privaten. Wie der Comic funktioniert also auch der Film über viele kleine Einzelbilder, die nah an den Protagonisten einer Geschichte folgen, im Verzicht auf große Arrangements, Kamerafahrten oder Plansequenzen.

Nur am Schluss bricht dieses Konzept sowohl inhaltlich als auch formal. Während V am Ende einer blutigen Racheodyssee die Egozentrik seiner Handlungen begreift, führen zwei andere Personen sein Projekt fort. Obwohl der Staat in Form seiner Handlungsträger bereits eliminiert ist, setzen die zu Terroristen avancierten Privatmenschen noch ein unnötiges Signal, das im direkten Anschluss an spektakuläre computeranimierte Massenszenen dem Film einen bildgewaltigen Schlusspunkt setzt, den er gar nicht gebraucht hätte. Nein, den er auch nicht verdient hat.

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V wie Vendetta | Kritik (5)

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